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BTM-Therapie und erneute Straffälligkeit

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Auch bei erheblicher erneuter Straffälligkeit während einer laufenden Bewährungszeit kann vom Widerruf der Strafaussetzung abgesehen werden, wenn sich der Verurteilte einer Betäubungsmitteltherapie unterzieht.

Gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Diese Widerrufsvoraussetzung liegt im hier entschiedenen Fall bei dem Angeklagten vor: Er ist während der laufenden Bewährungszeit vielfach und auch massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Das Gericht sieht jedoch gemäß § 56 f Abs. 2 Nr. 2 von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern. Dies ist vorliegend der Fall. Der Verurteilte, bei dem zum Zeitpunkt der strafrechtlichen Verurteilungen ein nicht bewältigtes Drogenproblem vorlag, hat sich nunmehr erstmals einer Therapie unterzogen. Deren Verlauf hat das Gericht abgewartet. Ist eine Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zurückgestellt, so ist es zulässig, zuzuwarten.

Die Therapie war bis auf einen Rest von sechs Tagen zum Zeitpunkt der Anhörung abgeschlossen. Zu Problemen kam es während der Therapie soweit ersichtlich nicht, insbesondere ist der Verurteilte weder rück- noch abermals straffällig geworden. Nach dem der Verurteilte seine Drogentherapie nahezu vollständig durchgestanden hat, ist eine Sachlage gegeben, die die Annahme rechtfertigt, dass sich der Verurteilte auch ohne die abermalige Einwirkung durch den Strafvollzug künftig straffrei führen wird. Rückfallstraftaten Drogenabhängiger stehen einer günstigen Sozialprognose nicht zwingend entgegen, wenn neue tatsächliche Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft im Einzelfall nachträglich günstig zu beeinflussen. Besteht aufgrund derartiger neuer Umstände eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verurteilte von Straftaten Abstand nehmen und ein geordnetes Leben führen wird, so stellen auch mildere Maßnahmen als der Widerruf der Strafaussetzung gem. § 56 f Abs. 2 StGB eine angemessene Reaktion auf das Bewährungsversagen dar.

Therapeutische Maßnahmen zur Heilung der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln sind in der Regel als günstige Möglichkeit der Wiedereingliederung Drogenabhängiger in die Gesellschaft anzusehen, wenn die Drogenabhängigkeit des Verurteilten noch nicht lange andauert, die Verbüßung von Freiheitsstrafe erstmalig bevorsteht und stationäre Langzeittherapien bislang nicht stattgefunden haben. Vorliegend bestand bei dem 1974 geborenen Angeklagten etwa zwei Jahre lang eine Kokainabhängigkeit. Diese Zeit der Abhängigkeit ist verglichen mit einer Vielzahl anderer Fälle als eher kurz anzusehen, und eine Langzeittherapie hat bislang nicht stattgefunden. Darüber hinaus befand sich der Angeklagte erstmals in Untersuchungs- bzw. in Strafhaft, und es ist nicht ersichtlich, dass ihn diese Zeit vollkommen unbeeindruckt gelassen hat. Vielmehr hat diese wohl auch einen Teil dazu beigetragen, dass er den für den Erfolg der Therapie erforderlichen Therapiewillen aufbringen konnte.

Diese Umstände rechtfertigen es, trotz der erheblichen neuerlichen Straffälligkeit während laufender Bewährungszeit vom Widerruf abzusehen. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 25.04.2008 ((OLG Schleswig, Beschluss vom 25.04.2008 – 2 Ws 164/08) entschieden, dass das Absehen vom Widerruf der Strafaussetzung gerechtfertigt ist, wenn der Verurteilte erstmals ernsthaft eine Betäubungsmitteltherapie begonnen hat. Genügt nach dieser Auffassung, der das erkennende Gericht folgt, bereits der Beginn einer Betäubungsmitteltherapie, um ein Absehen vom Widerruf der Strafaussetzung zu rechtfertigen, so muss dies erst recht dann gelten, wenn, wie hier, die Therapie bis auf ein Rest von wenigen Tagen nahezu vollständig abgeschlossen ist.

Nach alledem war der Widerrufsantrag abzulehnen und stattdessen als milderes Mittel die Bewährungszeit um ein Jahr zu verlängern. Zur weiteren Stabilisierung der allgemeinen Lebensverhältnisse des Angeklagten wurde er für die verlängerte Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung der zuständigen Bewährungshelferin unterstellt.

Amtsgericht Backnang, Beschluss vom 9. Oktober 2012 – 2 BWL 554/10


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